Stellungnahme des C3W zum Digitalsteuergesetz 2020

Vollständige Stellungnahme (pdf, 2 Seiten)

Bundesgesetz, mit dem das Digitalsteuergesetz 2020 erlassen und das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (132/ME)

...und eine umfassende Vorratsdatenspeicherung mit Profiling eingeführt werden soll

Das Digitalsteuergesetz stellt einen Versuch dar, die Besteuerung von Unternehmen mit digitalen Geschäftstätigkeiten durch Besteuerung von Onlinewerbung zu erzielen. Dabei wird der österreichische Geltungsbereich durch Zuordnung über IP-Adressen und "Ermittlung mittels anderer Technologien zur Geolokalisierung" definiert. Für den/die Werbedienstleister*in stellt das Zuordnen zu bestimmten Ländern zwar einerseits eine mögliche Erschwerung dar, allerdings fällt diese Zuordnung natürlich auch in einen für Werbetreibende interessanten Datensatz, der anderenfalls ohne Zustimmung nicht gespeichert werden dürfte.

Hervorzuheben ist bei diesem Gesetzesentwurf, dass jede Onlinewerbeleistung aufgezeichnet werden muss, und zwar für sieben Jahre (analog zu üblichen Belegen). Da aber im Onlinewerbemarkt, vor allem bei personalisierter Werbung, jede einzelne Werbeleistung gesondert vergeben wird (durch ein automatisiertes Verfahren) heißt dies im Endeffekt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit jede einzelne Werbeeinschaltung, mit dem zugeordneten Endgerät, gespeichert werden muss. Im Gegensatz zu normalen Geschäftsprozessen wo Datenverarbeitung nur im sinnvollen Rahmen notwendig ist um steuerliche Nachweise zu erbringen, wird bei der Digitalsteuer de facto eine lückenlose und gesamtheitliche Aufschlüsselung erwartet, die für jeden Cent Umsatz eine Dokumentation verlangt und auch personenbezogene Daten (z.B: IP-Adressen, persönliche Interessen) von Betroffenen enthält.

Generell wird im digitalen Werbemarkt oftmals die Verarbeitung und Vermarktung von personenbezogenen Daten als Subjekt der Wirtschaftstätigkeit verstanden. Auch trotz Datenschutzgrundverordnung treten bei diesem Geschäftsbereich oftmals Datenschutz- und Privatsphäreverletzungen auf und werden für Profit ausgeschlachtet. Personenbezogenen Daten wird ein Preis zugeordnet, aber dieser Preis wird ausgebeutet und die betroffenen Personen werden nicht an dem Gewinn an ihren Daten beteiligt. Die digitale Werbeindustrie kann insofern als Graubereich in datenschutztechnischen Fragen verstanden werden.

Allerdings werden die genauen Aufzeichnungen über die Verwertung von Nutzer*innendaten momentan nicht großflächig einzeln gespeichert. Das Vergeben einer Werbefläche mit personenbezogener Werbung passiert innerhalb von Sekundenbruchteilen und wird momentan über eine Statistik hinaus auch kaum protokolliert. Durch dieses Gesetz müsste jedoch für jede dieser Vergaben eine Aufzeichnung, und ihre IP-Addresse (o.ä.) geführt werden. Diese Aufzeichnungen sind aus Sicht des Schutzes der Privatsphäre jedoch stark problematisch und folgen der Form einer illegalen Vorratsdatenspeicherung. Durch die vermehrt vernetzte digitale Werbeindustrie (Stichwort Advertiser Cookies/Fingerprinting) werden Einzelpersonen ziemlich gut über das gesamte Web hinweg identifiziert, was eine Überwachung von einem Großteil der Bewegungen jeder einzelnen Person möglich macht. Diese Überwachungsdaten müssten dann nach dem uns vorliegendem Gesetz auf mehrere Jahre gespeichert werden.

Weiters liefert dieses Gesetz unserer Meinung nach keine Lösung für das Grundproblem, dass multinationale Konzerne ohne physischen Standort quasi ohne Steuern zu zahlen davon kommen. Stattdessen würde unter dem Gesetzesentwurf auf Kosten unserer Bürger*innen agiert und eine weitere Hintertür im Datenschutz errichtet werden. Eine solche Generalüberwachung ist kategorisch abzulehnen. Durch die schwierige Greifbarkeit der Zielgruppe dieser Gesetzgebung müssen solche Vorhaben auf internationaler Ebene angepackt werden, anstatt eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür einzuführen. Gerechte Besteuerung dieser Unternehmen stellt eine wichtige Aufgabe dar, aber diese Aufgabe wird mit diesem Gesetz kaum behandelt.

Erzwungene Vorratsdatenspeicherung besonders schutzwürdiger Daten durch E-Mail-Anbieter, Werbetreibende und Werbenetzwerke

Eine besondere Problematik birgt die Definition der verpflichteten "Onlinewerbeleister" in § 2 (1) 1. Diese umfasst "[Unternehmen] die Onlinewerbeleistungen gegen Entgelt erbringen oder dazu beitragen" - darunter fallen nicht nur die bekannten Namen wie Google oder Facebook sondern zB auch Anbieter von Gratis-E-Mail-Adressen wie GMX, Publisher (Der Standard etc), Medien- und Online-Agenturen. Diese würden nun gesetzlich verpflichtet die relevanten Meta-Werbedaten zu speichern, laut § 132 BAO sieben Jahre.

Technisch funktioniert die Ausspielung der Werbung durch Zuordnung der Betroffenen zu ihren Profilen, die durch Algorithmen bestimmt werden. Die Zuordnung der IP-Adresse birgt damit eine Zuordnung zu persönlichen Vorlieben - zum Zweck einer steuerrechtlichen Zuordnung. Das widerspricht einerseits der ursprünglichen Zweckwidmung und andererseits dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Die Konsequenzen aus dem vorliegenden Entwurf: Organisationen, die Online-Werbung betreiben, müssen Profiling-Daten, inklusive besonders schutzwürdiger Daten, erstellen und sieben Jahre lang aufbewahren - und dem Prüfer des Finanzamtes auf Verlangen zur Verfügung stellen. Das steht in deutlichem Widerspruch zu allen datenschutzrechtlichen Normen.

Da weiters der Gesetzesentwurf ausdrücklich vorsieht, dass der/die Finanzminister*in durch einfache Verordnung ohne gesetzliche Regelung die Spielregeln, welche Organisationen dieser extremen Vorratsdatenspeicherung unterworfen werden, eigenmächtig ändern kann, ist dieser Entwurf aufgrund der potenziellen Gefahren für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen entschieden abzulehnen.

Chaos Computer Club Wien (C3W), ZVR 656204875